Episoden eines Lkw-Fahrers

Vor ungefähr 2 Jahren war ich mit meinen Tandemzug nach getaner Arbeit auf dem Weg nach Hause. Saubere 90 Stundenkilometer auf dem Tacho, die Dire Straits im CD-Player und eine kaum befahrene, zweispurige Autobahn vor mir.
Die Abendsonne ließ den Asphalt glitzern und der 14-Liter unter mir brummte bei 1500 Touren das Lied seiner acht Zylinder.

Gerade als ich anfing, meine Arbeit doch ein wenig zu mögen, beschleunigt ein VW Golf mit heulendem Motor auf dem Einspurstreifen rechts neben mir vorbei und fährt mir mit einer Autolänge Abstand vor den Kühler. Ich knalle den Tempomat raus und gehe vom Gas, um Abstand zu gewinnen. Ich warte einige Augenblicke darauf, dass der VW Land gewinnt und mich wieder in Ruhe weiterfahren lässt. Tut er leider nicht. Schwankend zwischen 75 und 85 Stundenkilometer bummelt der Golf vor mir her.

Gut, denke ich mir, wenn es denn sein muss, dann überhole ich ihn halt. Die Autobahn ist wie gesagt leer, hinter mir ist weit und breit niemand zu sehen. Ich setze den Blinker, beschleunige auf 90, und rolle zügig vorbei. Als der VW rechts von mir etwa auf der Höhe der Deichsel ist, also etwa auf halber Länge des Zuges, beschleunigt der Wagen, und hält etwa dasselbe Tempo wie ich. Da alle LKW bei ungefähr 90 abgeriegelt sind, kann ich nicht schneller fahren, um vorbeizukommen.

Ich habe also zwei Möglichkeiten. Entweder ich gehe vom Gas und lasse mir von einem 1,5 Tonnen PKW mit schwankender Geschwindigkeit das Tempo vorgeben, oder ich verweile rechtsblinkend auf der linken Spur, in der Hoffnung, dass man mich gnädigerweise irgendwann überholen lässt.

Hinten ist mittlerweile ein BMW aufgefahren, und möchte gerne vorbei (vermutlich flucht er dabei über den idiotischen LKW-Arsch vor ihm).  Im rechten Außenspiegel erkenne die Gesichter zweier Frauen im Alter von geschätzten 30 Jahren, die teilnahmslos in ihrem Golf sitzen, immer noch auf der Höhe der Kupplung. Weil ich keine Lust habe, unnötig Autofahrer zu behindern, fange ich an, ganz langsam, mit ständigem Blick in den Spiegel, blinkend nach rechts zu driften, immer näher an den Golf. Sofort weicht sie erschreckt zurück und steht auf die Bremse. Endlich fahre ich wieder auf der rechten Spur. Ich lege den Tempomat wieder rein, und versuche, mich nicht aufzuregen.

Hupend überholt mich der andere Fahrer, der hinter mir warten musste. Kurz darauf schert der VW aus. Beim langsamen Vorbeifahren zeigt mir die Fahrerin durch das rechte Seitenfenster den Vogel und ihre Freundin auf dem Beifahrersitz schaut mich mit einer Mischung aus Unverständnis und Zorn an, schüttelt dabei aufgeregt den Kopf. Immerhin fährt sie dann mit geschätzten 120 davon und schikaniert mich nicht weiter, was übrigens nicht selbstverständlich ist. Ich habe schon anderes erlebt.

Erstaunlicherweise haben die zwei Frauen nicht verstanden, dass ich einfach in Ruhe und mit konstanter Geschwindigkeit nach Hause fahren wollte, ohne dabei auf der - ich betone es noch einmal - gänzlich leeren Autobahn einem PKW hinterher zu bummeln. Stattdessen haben die zwei vermutlich über diesen LKW-Rowdy geflucht, der mit seinem Monstrum von Lastwagen völlig grundlos versucht hat, sie von der Strasse zu drängen. Ihren Bekannten berichten sie dann, wie sie nur dank ihrer Geistesgegenwart und Reaktionsschnelligkeit diesem lebensgefährlichen Rüpel entkommen sind.

Was mich ärgert, ist vor allem der Umstand, dass die zwei Frauen meine unangenehme Situation überhaupt nicht verstanden haben, und ihrer Reaktion nach (Vogel, Kopfschütteln) schlichtweg nicht begriffen hatten, wieso ich auf der linken Spur neben ihnen herfuhr und wie wild nach rechts blinkte.

Dies ist einer der Gründe, wieso ich das Lastwagenfahren an den Nagel gehängt habe. Ich habe einfach nicht die Nerven für solchen Quatsch, den ich gezwungenermaßen tagtäglich erleben musste.